Warum fällt es uns manchmal so schwer eine Entscheidung zu treffen? Warum schlagen wir uns ganze Nächte um die Ohren, wägen tagelang Pro und Contra ab und fragen 5 verschiedene Menschen um Rat, nur um dann 5 verschiedene Meinungen mehr zu haben und uns dabei noch weiter von der Entscheidungsfindung entfernt zu haben?
In meiner Erfahrung liegt es daran, dass wir einem Gedanken Glauben schenken, der nicht wahr ist. Der Gedanke lautet: „Es gibt DIE EINE richtige Entscheidung.“ Alternativ könnte er auch lauten: „Es gibt eine falsche Entscheidung.“ Beide Gedanken machen Stress, Druck, Enge. Wie oft habe ich mir damit schon das Leben schwer gemacht!
In meiner Welt gibt es keine falschen Entscheidungen mehr. (Und übrigens auch nicht mehr die eine richtige).
Wenn ich mich „richtig“ entscheide – wunderbar!
Wenn ich mich „falsch“ entscheide – wunderbar!
Denn was sollen richtig und falsch denn auch schon bedeuten?
Bedeutet die „richtige“ Entscheidung, dass ich den Weg gehe, der am bequemsten, kürzesten und einfachsten ist. Klar, dann bin ich vielleicht sehr schnell am Ziel. Aber dann war es auch ein bisschen langweilig, oder? Ohne Herzklopfen, ohne Aufregung, aalglatt sowie ecken- und kantenlos. Muskeln habe ich dabei auch keine aufgebaut.
Bedeutet die „falsche“ Entscheidung, dass ich über Stock und Stein gestolpert bin, Umwege genommen habe, mich zwischendrin einmal völlig verirrt und mir verzweifelt die Augen aus dem Kopf geheult habe. Vielleicht. Aber ich habe mich dabei selbst besser kennengelernt. Bin stärker geworden. Hab neue Skills gelernt und habe am Weg so schöne Dinge entdeckt und wundervolle Begegnungen gehabt, die ich auf der schnurgeraden, flachen Strecke wahrscheinlich nie erlebt hätte (da hatte ich nämlich keine Zeit zum nach links und rechts Schauen).
Ja, ja, ich weiß, du kennst den Spruch auch: der Weg ist das Ziel. Und wenn dieser abgedroschene Spruch deswegen so abgenützt ist, weil er einfach stimmt? Wenn es letztlich immer um die Erfahrung geht, das Wachsen?
Wenn das Sich-Entscheiden völlig bedeutungslos wäre? Wenn man aus dem endlosen Running-Sushi-Band der Möglichkeiten einfach spontan eine Option herausgreifen würde, als wäre es tatsächlich nur die nächste Mahlzeit? Wenn das, was man für das Ziel hält, sowieso immer nur eine Etappe ist?
Ich glaube, wenn wir schon von Anfang an den ganzen Weg gekannt hätten, dann hätten wir uns so in die Hose gemacht, dass wir nicht einmal das Haus verlassen hätten. Oder hättest du dir als Baby vor deinem ersten Schritt - von Couch zu Couchtisch mit Festhalten - vorstellen können, dass du in deinem ganzen Leben einmal 170.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt haben wirst?
Vielleicht geht es also einfach nur ums Losgehen. Einfach Starten, einfach beginnen. Und schauen, wo es einen hintreibt. Manchmal entscheidet das Ego, manchmal das Herz, welchen Pfad wir nehmen. Manchmal Verstand, manchmal Intuition. Ist aber egal. Ist immer richtig. So oder so. Kann nie falsch sein. Manchmal langweilig und einödig, manchmal wildeste Achterbahn. Alles gehört dazu. Alles darf mitgenommen werden. Alles Erleben: Stagnation und Wachstum. Lebendigkeit und Kontrollieren-Wollen. Verletzen und Heilen. Was, wenn wir genau dafür hier sind?
*Ich glaube das Zitat ist von Franz Kafka. Ich kenne es aber auch aus dem Song „Hengstin“ von Jennifer Rostock.
Foto: Ray Fragapane via Unsplash.com
コメント